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"...bis endlich der Erbarmer Tod eintrifft und die heimatliche und staatliche Fürsorge und Humanität überflüssig macht."
Als Reaktion auf die weit verbreitete Armut entwickelte sich in der Schweiz im 19. Jahrhundert ein System der Zwangshilfe. Menschen, deren Lebensstil von der gewünschten Norm abwich oder die nicht in der Lage waren, ihren Unterhalt selbst zu bestreiten, wurden unfreiwillig in Institutionen wie Arbeits- und Armenhäusern in Verwahrung genommen (administrative Versorgung). Vor diesem Hintergrund wurde in Cazis ab 1854 die "Kantonale Korrektionsanstalt Realta" errichtet und für verstorbene Insassen ein eigener Friedhof angelegt. Im Vorfeld des Neubaus der Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez musste der Archäologische Dienst Graubünden im Jahr 2016 den Anstaltsfriedhof mit 103 Gräbern aus dem 19. und 20. Jahrhundert ausgraben. Von Beginn an bot diese Fundstelle die einmalige Möglichkeit, historische, archäologische und anthropologische Quellen zu einem sensiblen Kapitel der Schweizer Geschichte miteinander zu verknüpfen. Thema des Vortrags sind die Ergebnisse der archäologischen und anthropologisch-paläopathologischen Untersuchungen, die ein Licht auf die Lebensumstände einer marginalisierten Personengruppe sowie auf die Ursachen und Folgen der Anstaltseinweisung werfen.
Der Vortrag ist ein Teil der Ringvorlesung HS 2024 | Archäologische Kulturwissenschaften.