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Institut für Archäologie Fachbereich Klassische Archäologie

Bauen als Literatur. Form und Inhalt von Vitruvs De architectura

Benjamin

von Benjamin Thommen

 

Augustus’ Rom ist ein Höhepunkt der antiken Baukunst, die klassische Epoche der römischen Architektur. Dass die einzige grosse Schrift über das Bauen, die aus der Antike erhalten ist, aus ebendieser Zeit stammt, passt hervorragend ins Bild. Vitruvs De architectura bildet das augusteische Programm im Kleinen ab: Sammlung des Vorhandenen, Systematisierung und Festlegung eines sinnhaften Kanons. Entsprechend auch hier der Stempel des «Klassischen».

Doch der Zugriff auf De architectura als schriftliche Repräsentation der «klassischen» augusteischen Architektur kann nur enttäuschen – da ein Text ohnehin höchstens ein gefiltertes Abbild der Wirklichkeit sein kann und da die Genese des «Klassischen» stets komplexer ist als es im Rückblick scheinen mag.

Vitruv stellt sich in seiner Schrift aber nicht nur als Baumeister vor, sondern legt grossen Wert auf seine Leistung als Autor, der ein neues Fachgebiet in Buchform erarbeitet. Sein Selbstverständnis schöpft gleichermassen aus fachlicher Expertise wie aus der Fähigkeit, das Wissen in guter Form kommunizieren zu können. Ganz bewusst stösst Vitruv damit in das Feld der Literatur vor – in das Feld der Fachliteratur, des Schreibens über bestimmte Gegenstandsbereiche der wirklichen Welt.

«Vollständigkeit», «Ordnung» und «Verständlichkeit» sind Ansprüche Vitruvs an seine Schrift; Kategorien, die wieder auf die Spur des «Klassischen» führen könnten. Es sind aber auch spezifische Topoi des literarischen Diskurses der Zeit, Vorgaben, die ein Autor einlösen musste, damit seine Schrift überhaupt erst als gelungenes «Werk» gelten konnte.

Die drei Kategorien sind universell im Anspruch, doch im konkreten Gehalt letztlich historisch kontingent. «Vollständigkeit», «Ordnung» und «Verständlichkeit» sind in jeder Epoche, jeder Gattung, sogar jedem Einzelwerk anders realisiert. Gerade da Vitruv mit seiner Schrift ein neues Fach erschliesst, ist er durchaus frei darin, zu bestimmen, was «Vollständigkeit», «Ordnung» und «Verständlichkeit» in Bezug auf die Architektur bedeuten. Er, der Autor, ist es, der den Stoff auswählt, ihn ordnet, organisiert und in Worten gestaltet.

Dabei ist die allgemeine zeitgenössische Architekturpraxis nur ein Ausgangspunkt von Vitruvs Schreiben und keineswegs determinierend. Von gleicher Relevanz sind etwa persönliche Erfahrung, die Verfügbarkeit von Quellenschriften, literarische Modelle, Gattungsregeln und Konjunkturen der Geistesgeschichte. Aus diesem gemischten «Werkzeugkasten» bedient sich der Autor, um sein ambitioniertes Unternehmen eines Handbuchs der Architektur in die Wirklichkeit umzusetzen.

Darin liegt der Fokus dieses Dissertationsprojekts: Den Fachautor Vitruv in seiner Zeit festzumachen; die Position seines Werks im literarischen Feld zu bestimmen; Form und Aufbau von De architectura als gezielte Wahlen zu untersuchen. Die jüngere Forschung hat diesen Weg gewiesen; doch hat sie es bisher verpasst, Vitruvs Werk in seiner Gesamtheit anzugehen, von den Theoriekapiteln und begründenden Einleitungen über die darlegenden Abschnitte zu den Exkursen und Anekdoten. Es wurden Untersuchungen am Einzelnen vorgenommen, ohne das Einzelne aus dem Ganzen zu erklären.

Es geht um die Schrift in ihrer Gemachtheit, als Produkt literarischen Handwerks. Dieser Zugriff trägt weiter dazu bei, De architectura vom überzogenen Anspruch des «Klassischen» zu befreien und das Werk als Zeugnis historischer intellektueller Tätigkeit an eine angemessene Stelle zu rücken. Im Sinne einer «Archäologie des Literarischen» fällt der Blick auf die Möglichkeiten, Prioritäten und Einschränkungen des Schreibens über das Bauen in der augusteischen Zeit.

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