Prähistorische Alpwirtschaft

Abstract: Nur wenige Gebiete sind so eng mit der traditionellen alpinen Land- und Viehwirtschaft verbunden wie die Gebirgszonen der Schweiz und Österreich. Die saisonale Bestossung der reichen Hochweiden mit Schaf-, Ziegen- und Rinderherden und die damit einhergehende Herstellung von Milchprodukten scheinen eine perfekte, zeitlose Adaption an die alpine Landschaft. Trotzdem sind die genauen Ursprünge und die Entwicklung der Alpwirtschaft in den Ost- und Zentralalpen bis heute nur unzureichend bekannt. Ein 2007 von der Universität Zürich initiiertes und in weiterer Folge vom Archäologischen Dienst Graubünden fortgeführtes interdisziplinäres Forschungsprojekt untersucht im schweizerisch-österreichischen Silvrettagebirge die Urgeschichte der alpinen Viehzucht und vertikalen Mobilität. Ausgangspunkt sind zahlreiche Dauersiedlungen der Bronze- und Eisenzeit im Talbereich des Unterengadins. Während insgesamt sieben Grabungs- und Surveykampagnen wurde in Höhen ab 2000 m ü. M. eine grosse Anzahl (hoch-)alpiner Fundstellen vom Ende der letzten Eiszeit bis in die Neuzeit entdeckt und partiell archäologisch untersucht. Ab den Metallzeiten können diese alpinen Temporärsiedlungen chronologisch und funktional mit den Dauersiedlungen im Talbereich verbunden und so als wahrscheinliche Nachweise für eine frühe Form der Hochweidenutzung und Alpwirtschaft ab dem 5./3. Jahrtausend v. Chr. interpretiert werden. Herausragend sind dabei insbesondere architektonische Baubefunde in Form eines eisenzeitlichen Viehpferches sowie einer eisenzeitlichen Hütte. Die archäologischen Ergebnisse werden durch begleitende Untersuchungen der Archäobotanik/Palynologie, Archäometrie/Biochemie, der Archäozoologie, der Ethnologie, Toponomastik und Dendrochronologie unterstützt. Eingebunden in einen grösseren räumlichen Kontext der Ost- und Zentralalpen soll in der Arbeit das Entstehen der Alpwirtschaft bis ins Frühmittelalter nachgezeichnet werden.

T. Reitmaier (Hg.), Letzte Jäger, erste Hirten – Hochalpine Archäologie in der Silvretta. Archäologie Graubünden, Sonderheft 1 (Chur 2012).